Münchner Samstagsblatt vom 19.01.2008 - von Ulrike Seiffert
Unter dem Titel „Ins Licht gerückt" arbeitet die ehrenamtliche Geschichtswerkstatt „Jüdisches Leben Pasing" an jüdischer Spurensuche in Pasing, Obermenzing und Aubing. Die Geschichtswerkstatt entstand vor zwei Jahren im Rahmen einer Kooperation der Münchner Volkshochschule/Stadtbereich West, der Pasinger Fabrik und der Stadtbibliothek Pasing anlässlich der hundertjährigen Stadterhebung Pasings. Was als Teil des Sonderprogramms Jubiläums-Feier begann, wurde schnell ein eigenes Stadtteil-Projekt. „Wir haben mit der Geschichtswerkstatt ein Erfolgsmodell mit enorm motivierten Mitgliedern. Die Mehrzahl von uns bringt etwas mit, was selten ist, nämlich Zeit", erzählt Berhard Schoßig, Gründungsmitglied und Moderator der Gruppe. Die rund 15 Teilnehmer sind meist jenseits von beruflichen Verpflichtungen und können sich daher ihrem Interesse mit Ausdauer widmen. Zudem haben alle Werkstattteilnehmer einen akademischen Hintergrund, der offen macht für das Forschen vor Ort. Sie alle haben Spaß daran, sich selbst auf die Suche zu machen und Zusammenhänge, seien sie noch so knifflig, ans Licht zu bringen.
„In der Lokalgeschichte fehlt die jüdische Dimension.
Darüber ist relativ wenig bekannt", meinen Angela Scheibe-Jaeger und Bernhard Schoßig von der Geschichtswerkstatt Jüdisches Leben Pasing Foto: us
Moderator Schoßig kann den ehrenamtlichen Historikern die nötigen Hinweise geben. Er hat zu einem pädagogisch-historischen Thema promoviert und sich sein ganzes Berufsleben hinweg mit historisch-politischen Hintergründen beschäftigt. Wichtige Quellen für die Gruppe sind Archive und Lokalzeitungen, die Jahrgang für Jahrgang nach jüdischen Spuren durchsucht werden. Familienbezüge konnten sie aber auch schon im Bekanntenkreis herstellen. „Die persönliche Verankerung hier im Stadtteil hilft uns sehr. Damit kommen wir an authentische Quellen, wie Fotoalben, persönliche Dokumente heran, die einer professionellen Historikergruppe vielleicht nicht so schnell zugänglich geworden wären", meint Angela Scheibe Jaeger die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit.
Präsentation
Nun sollen die Ergebnisse der Gruppe vom 10. April bis 25. Mai in der Pasinger Fabrik präsentiert werden. Als Begleitmaterial zur Ausstellung plant die Geschichtsgruppe einen Katalog. „Wir werden individuelle Lebens- aber auch Firmengeschichten hier in Pasing zeigen. Und zwar innerhalb des Zeitrahmens von 1890 bis 1960", erklärt Schoßig. „Es geht darum, die Juden in Pasing als Teil der Gesellschaft wahrzunehmen. Juden sind nicht Opfer allein, sondern treibende Kraft bei der wirtschaftlichen Entwicklung über wirklich lange Zeit, auch wieder nach dem Krieg", so Schoßig weiter. „Für uns hat sich ein mosaikartiges Pasingbild zusammengesetzt. Das möchten wir in der Ausstellung gern vielen zeigen", konstatiert Scheibe-Jaeger. „Viele haben sich selbst nicht als Juden im religiösen Sinn empfunden und wurden in der Nazizeit wieder zu Juden gemacht. Auch das ist ein wichtiger Aspekt unserer Ausstellung."
Seit zwei Jahren geht die Geschichtswerkstatt Pasing Spuren jüdischer Familien und Firmen nach: v.l. (hintere Reihe) Bernhard Koch, Bernd-Michael Schülke, Angela Scheibe-Jaeger, Gudrun Koppers-Weck, Gudrun Eichler, Sabine Bloch, Almut David. Vordere Reihe v.l.: Doris Barth, Peter Pich, Peter Knoch und Bernhard Schoßig. Foto: privat
Mitveranstalter der Ausstellung ist das Kulturreferat der Stadt München. Zuschüsse der Stadt und des Bezirksausschusses Pasing/Obermenzing decken bereits über die Hälfte der notwendigen Ausgaben. Für den Rest der Kosten ist die Geschichtswerkstatt auf private Spenden angewiesen. Schoßig meint realistisch: „Beim jetzigen Stand können wir das Projekt nicht im geplanten Umfang verwirklichen. Der Katalog käme vielleicht nicht zustande." Kontakt kann man zur Geschichtswerkstatt Jüdisches Leben Pasing unter Tel. 857 63 18 aufnehmen. Spenden sind möglich über das „Institut für .zukunftsweisende Geschichte e V.", Kontonummer 4213211, BLZ 70090500, Verwendungszweck „Ins Licht gerückt".
Ulrike Seiffert