Erinnerungszeichen für Bernhard Haas

vor dem Anwesen Varnhagenstraße 7a (früher Sandstraße 1)


Foto: Stadtarchiv München

Die Biografie von Bernhard Haas wurde von Bernhard Koch und Peter Knoch recherchiert.

Bernhard Haas, geboren am 25. November 1871 im mittelfränkischen Thalmässing bei Hilpoltstein, wuchs dort in einer jüdischen Familie auf. Um 1900 verließ die Familie diesen kleinen Ort, dessen einst blühende jüdische Gemeinschaft bereits stark geschrumpft war.

Bernhard Haas ging vermutlich nach Bamberg, denn dort heiratete er mit 31 Jahren im Juli 1902. Unmittelbar nach der Hochzeit zog Bernhard Haas nach München zu seiner Familie, die nun in der Schwanthalerstraße 62 ein Handelsgeschäft für Öle und Fette betrieb. Die kinderlos gebliebene Ehe wurde bereits 1904 wieder geschieden.

Nach dem Tod des Vaters 1904 führte Bernhard Haas mit seinem älteren Bruder Ludwig die Handelsfirma weiter, beteiligte sich an einem Zigarrenhandel und betätigte sich später auch auf anderen Gebieten. Im Polizeimeldebogen erfolgte 1925 zum Punkt „Berufstätigkeit“ der Eintrag: „Vermittlung von Immobilien, Hypotheken u. Darlehen, letzteres nur im Lombardwege“. Über den Umfang seiner Maklertätigkeit wissen wir nichts; aber der Erwerb von Grundstücken in Neuhausen und Trudering lässt auf erfolgreiche Geschäfte schließen. Im November 1926 heiratete Bernhard Haas die deutlich jüngere, aus einer katholischen Pasinger Familie stammende, aber zum Judentum übergetretene Viktoria Ziegler. Bei ihrer Konversion nahm sie den Vornamen Dora an, beim Kontakt mit Behörden verwendete sie jedoch weiter ihren bisherigen Vornamen.

Durch die Heirat entwickelte Bernhard Haas wohl eine stärkere Beziehung zu seinem Wohnort Pasing. Er erwarb dort 1931 am westlichen Stadtrand zwei Grundstücke, darunter eines in der damals gerade neu angelegten Sandstraße (heute Varnhagenstraße). Hier entstand bald ein hübsches Zweifamilienhaus, in das die Familie 1933 mit dem siebenjährigen Sohn Erich einzog. Auf dem Grundstück befand sich auch das Warenlager für die von Bernhard Haas 1930 gegründete eigene Handelsgesellschaft für Öle und Fette. Die beiden Gebäude wurden ab 2015 abgerissen und das Terrain neu bebaut.

Unmittelbar nach dem staatlich organisierten Terror gegen Juden in der Pogromnacht am 9./10. November 1938 wurde Bernhard Haas verhaftet und als sogenannter Aktionsjude - zusammen mit 10.911 anderen männlichen Juden - in das Konzentrationslager Dachau gebracht und mit der Häftlingsnummer 20340 registriert. Durch die Haft im KZ Dachau sollte erreicht werden, von jüdischen Immobilienbesitzern und Firmeninhabern die Eigentumsübertragung an eine NSDAPTarnorganisation zu erpressen – nicht nur mit Drohungen, sondern auch mit Gewalt. Die „Aktionsjuden“ wurden deshalb von den anderen Häftlingen isoliert und zum tagelangen Strammstehen sowie Exerzieren gezwungen. Bei Bernhard Haas führte diese perfide Strategie nicht zum Erfolg, verursachte aber vermutlich seinen Tod. Gemäß amtlichen Angaben starb er dort am 28. November 1938 - nach drei Wochen Haft - im Alter von 67 Jahren. Er wurde auf dem Alten Israelitischen Friedhof in München beerdigt.

Innerhalb von zwei Monaten fielen im KZ Dachau 151 Männer den erlittenen Torturen und den katastrophalen Haftbedingungen zum Opfer. Als scheinlegale Grundlage für die weiteren Maßnahmen zur „Arisierung“ jüdischen Vermögens wurde am 12. November 1938 eine staatliche Verordnung erlassen. Kurz darauf wurde vom bayerischen NSDAP-Gauleiter und Innenminister Adolf Wagner in München die „Arisierungsstelle“ als treibende Kraft der so genannten Entjudung von Wirtschaft und Gesellschaft eingerichtet.

Zeitgleich mit der Nachricht über den Tod ihres Mannes erhielt Dora Haas vom Finanzamt München die Aufforderung zur Zahlung der so genannten Judenvermögensabgabe. Sie musste demnach in vier Raten innerhalb eines Jahres insgesamt 12.800 RM aufbringen. Die erste Rate von 3.200 RM war bereits innerhalb von 14 Tagen fällig. Dora Haas hatte im Frühjahr 1938 - genauso wie ihr Mann - die von allen so genannten Rassejuden geforderte Vermögenserklärung an das Finanzamt abgegeben, obwohl sie gemäß den „Nürnberger Rassegesetzen“ als Nichtjüdin galt. Es gelang ihr jedoch, diese bewusst oder versehentlich gemachte Erklärung wieder rückgängig zu machen und damit die Gesamtschuld zu verkleinern. Aber ihr Antrag auf Erlass der Sondersteuer für ihren verstorbenen Mann wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass Bernhard Haas am Stichtag – dem 12.11.1938 – noch gelebt habe. Auch ihre Bitte um Reduzierung der Forderung mangels liquidem Vermögen blieb ohne Ergebnis. Den Angaben des Ehepaares in ihrer Vermögenserklärung ist zu entnehmen, dass praktisch ihr gesamter Besitz aus Waren und Wertgegenständen im Wert von 8.237 RM und Immobilien bestand. Letztere waren etwa zur Hälfte mit Hypotheken belastet. Als Bankguthaben waren nur dürftige 206,- RM vorhanden.

Im November 1939 kam schließlich noch die Zahlungsaufforderung für eine fünfte Rate der Judenvermögensabgabe, denn das NS-Regime hatte die eine Milliarde Reichsmark, die der Staat den jüdischen Bürgern abverlangte, noch nicht beisammen. Den Antrag auf Erlass dieser Zahlung lehnte das Finanzamt ebenfalls ab. Stattdessen musste Viktoria Dora Haas im selben Monat einen Notarvertrag abschließen, der sie zwang, dem Finanzamt München-Land als Sicherheit ein Grundstück in Trudering zu übertragen. Dora Haas hangelte sich deshalb bis in das Jahr 1940 von Zahlungstermin zu Zahlungstermin und Stundung zu Stundung mühsam durch. Ein paar tausend Reichsmark erhielt sie durch den Verkauf ihrer kleinen Anteile an drei Grundstücken. Eines davon ging an den stadtbekannten NSDAP-Ratsherrn Christian Weber.

Dora Haas hatte nach 1938 auch die Verarmung und spätere Deportation ihres Schwagers Ludwig Haas und dessen Angehörigen miterlebt; nur sein Sohn konnte nach Palästina emigrieren.

Nach Kriegsende 1945 erfuhr sie wohl auch von deren tragischem Ende im Ghetto Piaski und in den Vernichtungslagern Auschwitz und Treblinka. Am 18.4.1980 starb Dora Haas mit 87 Jahren. Sie ist bei ihrem Mann im Familiengrab auf dem Alten Israelitischen Friedhof in Thalkirchen beigesetzt. Der 2003 verstorbene gemeinsame Sohn Erich fand dort ebenfalls seine letzte Ruhestätte.

Text Bernhard Koch

Quellen:

- Archiv der Gedenkstätte Dachau, http://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/209.html (20.10.2018).
- Staatsarchiv München, Steuerakten FinA 17590, 17595.
- Stadtarchiv München, Judaica Fotos.
- Stadtarchiv München (Hrsg.), Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945, Bd. 1, München 2003, S. 511.

Literatur:

- Peter Knoch, Der November-Pogrom, in: Bernhard Schoßig (Hg.), Ins Licht gerückt. Jüdische Lebenswege im Münchner Westen, München 2008, S. 163-166.

- Bernd-Michael Schülke/Bernhard Koch (Hrsg.), Alles wird anders – Pasing im Dritten Reich, ünchen 2013, S. 131 ff.

- Angelika Baumann/Andreas Heusler, München arisiert, München 2004, S. 162 ff., 191 ff.

- Wolfram Selig, „Arisierung“ in München, Berlin 2004, S. 40 ff.


Seitenanfang